Sonntag, 18. Dezember 2016

Marcel Duchamp und die Objektkunst

Früher erwartete man von Kunstwerken Malerei oder andere künstlerische Schöpfungen. Diese Vorstellung wandelte sich jedoch mit der Entstehung der Objektkunst

Der Dadaist und Surrealist Marcel Duchamp (1887-1968) wandte sich 1913 von der Malerei ab und widmete sich der Objektkunst.

  •   Die Objektkunst verfolgt die Absicht, den Betrachter über das Offensichtliche hinaus zum genaueren und unvoreingenommenen Hinsehen zu verleiten und seine eingefahrenen Ansichten und Wertungen zu vergessen. Objektkünstler wollen erreichen, dass Beobachter zu einer neue Weise der Betrachtung gelangen und dass sie ihre Augen öffnen. 
  •   Die umstrittene Frage nach der künstlerischen Leistung in der Objektkunst beantworten Befürworter dieses Genres mit dem kreativen Akt der Suche, Auswahl und Präsentation. 
  •   Das Objekt wird seiner normalen Umgebung entrissen und beispielsweise in einer Galerie ausgestellt, was zu einer veränderten Perspektive und dadurch zu einer neuen Wirkung auf den Betrachter führt. Dieser Vorgang zählt ebenfalls zum künstlerischen Akt. 
  •   Die Signierung des Gegenstandes vervollständigt die künstlerische Arbeit und stellt somit eine eindeutige Verbindung zwischen Künstler und Gegenstand dar. 
  •  Oft steht die Verwandlung von alltäglichen und unedlen Gegenständen zu künstlerischen im Fokus der Objektkunst. 

Eines der bekanntesten „ready mades“ von Duchamp ist der sogenannte „Flaschentrockner“. Der Begriff „ready mades“ bedeutet, dass ein bestehender, industriell hergestellter Alltagsgegenstand zum Kunstwerk erklärt wird. Bei seinem Werk „bottle dryer“ wurde ein Gestell verwendet, welches früher ein wichtiger Haushaltsgegenstand war. Es ist ein ca. 60cm hohes Metallgebilde mit Haken, auf die die Flaschen zum Trocknen gesteckt werden. Der Flaschentrockner war damals sehr häufig in Haushalten vorzufinden, da es keine andere Möglichkeit gab, enghalsige Gefäße rückstandsfrei zu trocknen. 
Als Marcel Duchamp 1914 das Kunstwerk veröffentlichte, reagierten die Betrachter größtenteils mit Unverständnis. Diese konservative Reaktion auf Neues ist auch heutzutage noch oft zu beobachten. 
Beim ersten Anblick des „bottle dryer“ erinnert die Form an eine Vase, einen Lampenschirm oder auch an einen Schmuckständer. Durch die spitzen Haken werden Gedanken wie Vorsicht, Verletzungsrisiko und Abstand halten hervorgerufen. 
Ohne die Haken erinnert der Flaschentrockner an ein Korsett aus dem 19. Jahrhundert, womit Erotik, Sexualität und Weiblichkeit assoziiert werden. 

Die „Fontaine“ ist ebenfalls Duchamps bekanntesten Werken zuzuordnen. Ein handelsübliches Urinal aus Sanitärkeramik der Firma J. L. Mott Iron Works wird um 90 Grad gedreht und damit liegend präsentiert. Ebenso wie bei „bottle dryer“ ist durch die Form des Objekts, in dem manche eine Ähnlichkeit mit einer Gebärmutter erkennen wollen, ein Geschlechterbezug und somit ein erotischer Aspekt vorhanden. 
Mit dem Gegenstand „Pissoir“ verbindet man Urin, Gestank und Ekel. Im Gegensatz dazu stellt Duchamp durch die Bezeichnung „Fontaine“, was auf deutsch „Springbrunnen“ bedeutet, eine Verbindung zu Reinheit, Ästhetik und klarem Wasser dar. 
Die Löcher, die als Abfluss dienen, lassen durch ihre Anordnung ein geheimnisvolles, sogar religiös wirkendes Ornament assoziieren. 
Bei der Signierung mit einem Pseudonym erreicht Duchamp durch die Onomatopoesie (Lautmalerei) „R. Mutt“ (amerikanisch = Straßenköter) die beabsichtigte Provokation.




„Fountain“:


„bottle dryer“:



Kubismus




Ziele der Kubistischen Darstellung:


- Abkehr von der traditionellen Fluchtpunktperspektive, stattdessen:
- Dinge gleichzeitig (simultan) aus unterschiedlichen Perspektiven zeigen

Warum?

- Erkenntnis: Die Vorstellung von Gegenständen entsteht nicht durch ein einziges Bild aus einem einzigen Blickwinkel (vgl. Kamerabild), sondern wird im Gehirn durch Erfahrung/Bewegung im Raum drei Dimensionen zusammengesetzt


David Hockney: „The Desk“, 1. Juli 1984

Fotocollage: Viele einzelne Fotos eines Schreibtisches aus verschiedenen Blickwinkeln wurden zu einem Bild zusammengesetzt

- Der Schreibtisch kann aus allen Perspektiven gleichzeitig betrachtet werden

- Das Bild auf dem Schreibtisch ist die kubistische Zerlegung einer kubistischen Zerlegung (Abbildung eines Picsso Gemäldes)

Link: http://www.leninimports.com/david_hockney_gallery_2.jpg 

Georges Braque: „Krug und Violine“ 

(Braque war Zeitgenosse Picassos und Mitentwickler des Kubismus)

 erkennbar ist hier die typisch kubistische Technik:

Der Raum/Hintergrund:

- ein Tisch in einem Raum mit Pfeilern und einer waagrecht verlaufenden Wandleiste
- auch der "leere" Raum ist kubistisch zersplittert

- ganz oben: ein "normal" dreidimensional und illusionistisch gemalter Nagel mit Schlagschatten
- er scheint das Bild zu halten

Die Violine:
- warmes Braun
- geschwungene, aber nicht durchgehende Umrisslinien
- die Schnecke ist von oben sichtbar, die Stimmwirbel jedoch von vorne
- die Schalllöcher bleiben ganz, auch wenn der Rest „zerbrochen“ aussieht


Der Krug:
- von der Seite sichtbar, trotzdem kann man von oben hineinschauen

Das Bild erinnert an einen zerbrochenen Spiegel oder ein zerknittertes Foto


Link: http://www.unterricht.kunstbrowser.de/images/braquegeigeundkrug1910originalgro.jpg

Barockzeit - Samuel van Hoogstraten – Vanitas - Stillleben

Die Kunst-Epoche des 17. Jahrhunderts nennt man Barock. Die Zeit des Barock beginnt mit dem 30-jährigen Krieg und endet mit der Französischen Revolution.

In der Malerei dieser Zeit war es unter Anderem beliebt, Gegenstände zu malen, um diese so illusionistisch darzustellen, dass dadurch den Eindruck entsteht, dass es sich bei den Malereien um reale Gegenstände handelt. Diese speziellen Bilder heißen "Trompe l'oeil", was man mit "Augenbetrüger-Stillleben" übersetzt.
Der Maler muss, um die Plastizität der Gegenstände zu erreichen, starke Kontraste, also Licht-und Schattenunterschiede, verwenden. Die Plastizität ist allerdings nur aus einer bestimmten Perspektive und Entfernung des Betrachters erkennbar.
Ein bekannter Vertreter dieser Zeit ist der Niederländer Samuel van Hoogstraten. Bei seinem Bild "Steckbrett" muss man zweimal hinschauen, um zu erkennen, ob es sich tatsächlich "nur" um ein Bild handelt oder um einen tatsächlichen Gegenstand.
Auf dem Bild kann man auf den ersten Blick nur ein großes Durcheinander erkennen, Gegenstände scheinen willkürlich durcheinander geworfen zu sein, doch bei genauerem Betrachten kann man eine gewisse Ordnung feststellen. Man erkennt, dass verschiedene Gegenstände, die sich grob in zwei Gruppen einteilen lassen, auf eine spezielle Art und Weise auf einem Holzbrett mit Lederriemen befestigt wurden, einem Steckbrettes.
Die erste Gruppe der Gegenstände kann man als "Schreibutensilien" betiteln. Man findet Feder, Papier, eine besonders schön marmorierte Rolle Papier, ein Notizheft, Briefe, Siegelwachs zum Versiegeln von Briefen, ein kleines Messer zum Öffnen von Briefen oder Büchern und ein in Leder gebundenes Buch.
Außerdem kann man einige Hygieneartikel, wie zum Beispiel zwei Kämme, wovon der Feinere für das Beseitigen von Läusen verwendet wird, einen Rasierpinsel und Seife, erkennen.
Ganz aus der Rolle hingegen fällt die Goldkette, an der am Ende ein Medaillon hängt.
Alle Gegenstände sind im Maßstab 1:1 abgebildet, um den Anschein zu erwecken, dass das Bild kein Gemälde, sondern ein realer Gegenstand ist.
So wird der Betrachter an der Nase herumgeführt.

Es gibt mehrere Gründe, warum der Künstler auf diese Weise malt.
Zum einen künnte man Angeberei vermuten. Der Künstler will beweisen, dass er sehr exakt beobachten und wiedergeben kann, etwas, was auch schon in der Antike sehr wichtig für die Maler war.

Von diesem Herstellen einer perfekten Illusion handelt auch eine Geschichte aus der Antike, in der ein Wettstreit zwischen zwei Malern namens Zeuxis und Parrhasius stattfindet und beide mit einem verhüllten Bild vor eine Jury treten. Als der erste Maler das Tuch von seinem Bild entfernt, fliegen sofort viele Vögel herbei, da sie die Kirschen fressen wollen, die der Künstler auf sein Bild gemalt hat. Die nun sehr erstaunte Jury fordert anschließend den zweiten Maler auf, das Tuch zu entfernen. Allerdings ist das Tuch bereits das vom Maler erschaffene Kunstwerk, das so täuschend echt aussieht, dass niemand erkennt, dass es sich bei dem Tuch um ein Bild handelt. Genau das war das Ziel der Künstler: Sie wollten die Natur imitieren!

Doch Angeberei ist nicht der einzige und wichtigste Grund, warum Samuel van Hoogstraten dieses Bild malte. Normalerweise verwendet man ein Steckbrett bei sich zu Hause als Sammelstelle für persönliche Sachen, die man wichtig findet, wie hier zum Beispiel der Orden für seine literarischen
Werke.
Das Gemälde zeigt also mehr von ihm, als dass er gut malen kann.
Die Schreibutensilien verdeutlichen, dass er Erfolg hat und durch die Hygieneartikel will er zeigen, dass er reinlich ist und Hygiene für ihn wichtig ist. Das Bild ist also so etwas wie ein Selbstportrait, das ihn durch die Gegenstände, die er besitzt, charakterisiert.

Auf den ersten Blick könnte man jetzt meinen, dass Samuel van Hoogstraten eitel war, da er nur von sich selbst erzählt. Jedoch ist eigentlich genau das Gegenteil der Fall: Das Wort „Eitelkeit“ hat zwei verschiedene Bedeutungen. Es bedeutet zum einen Selbstgefälligkeit, steht aber auch für das Vergängliche und Vergebliche. Der Gedanke an Tod und Vergänglichkeit war in der schwierigen Zeit des Barock, in der es den 30-jährigen Krieg, die Pest, marodierende Söldner und eine kleine Eiszeit samt Missernten gab, sehr präsent.
Samuel van Hoogstraten will mit seinem Bild zeigen, dass das Dargestellte eigentlich bedeutungslos und vergänglich ist. Man nennt diese Art von Malerei deshalb „Vanitas-Stillleben“ (lat. Vanitas = Vergänglichkeit).

Diese Vanitas-Stillleben sind sehr typisch für den Barock. Da man in dieser schwierigen Zeit nicht wusste, ob man am Abend noch leben würde, versuchte man nach dem Vorsatz „Carpe diem“ zu leben, also den Tag, bzw. sein Leben zu nutzen. Auf Grabsteine wurde oft „et ego in arcadia“ geschrieben, was so viel bedeutet wie „auch ich wandelte einst in Arkadien“. Arkadien ist eine idyllische Landschaft in Griechenland. Man will dadurch sagen, dass der Tote das Leben genossen hat, so wie die Lebenden es jetzt tun. Auch die Bezeichnung „vanitas vanitatum“ war gebräuchlich, was so viel bedeutet wie „es ist alles eitel, bzw. die Eitelkeit der Eitelkeiten“. Außerdem war es den damals sehr religiösen Menschen wichtig, ein guter Mensch zu sein und nach den Geboten Gottes zu leben, um jederzeit nach dem Tod vor Gott treten zu können. Äußerlichkeiten waren dabei eher  unwichtig.

Es existieren sehr viele Vanitas-Stillleben und man findet sehr häufig ähnliche oder gleiche Symbole. Sehr oft tauchen Hohlformen, wie zum Beispiel Totenköpfe auf, außerdem gibt es zerbrechliche Gegenstände wie Spiegel oder Glaskugeln, zudem gibt es Masken, Machtinsignien, Schneckengehäuse, Ruinen, Schmuck, Pflanzen, Tiere, Früchte oder Musikinstrumente etc. Alle diese Gegenstände weisen auf die Vergänglichkeit hin und erzählen je nach Anordnung und Verwendung eine eigene Geschichte.
Ein weiterer Maler von solchen Stillleben ist Jacob Marrell. Von ihm stammt zum Beispiel das "Vanitas-Stillleben mit Blumenstrauß, Geige und Totenschädel".

Interessant ist, dass Samuel van Hoogstraten die illusionistische Kunst gar nicht so sehr schätzte. Unter Kunst verstand er vielmehr, dass man selbst erfunden hat und nicht abgemalt hat, da er der Meinung war, etwas abmalen könne jeder, wenn er sich nur die Zeit nimmt. Deshalb fand er persönlich auch seine literarischen Werke besser als seine Gemälde. Heutzutage ist er jedoch nur noch für seine Gemälde bekannt.

„Steckbrett“ von Samuel vann Hoogstraten:http://www.bildergipfel.de/images/products/wt/originals_ART8233.jpg

Selbstportrait von Samuel van Hoogstraten:http://www.wikigallery.org/paintings/297001-297500/297465/painting1.jpg

Jacob Marrell: Vanitas-Stillleben mit Blumenstrauß, Geige und Totenschädel:http://www.michaelseeger.de/barock/Vanitas.jpg

weiteres Beispiel für ein Vanitas-Stillleben:https://writeaboutsomething.files.wordpress.com/2014/07/pieter-claesz_vanitas-stillleben-mit-selbstbildnis.jpg