Früher erwartete man von Kunstwerken
Malerei oder andere künstlerische Schöpfungen. Diese Vorstellung
wandelte sich jedoch mit der Entstehung der Objektkunst.
Der Dadaist und Surrealist Marcel
Duchamp (1887-1968) wandte sich 1913 von der Malerei ab und widmete
sich der Objektkunst.
- Die Objektkunst verfolgt die Absicht, den Betrachter über das Offensichtliche hinaus zum genaueren und unvoreingenommenen Hinsehen zu verleiten und seine eingefahrenen Ansichten und Wertungen zu vergessen. Objektkünstler wollen erreichen, dass Beobachter zu einer neue Weise der Betrachtung gelangen und dass sie ihre Augen öffnen.
- Die umstrittene Frage nach der künstlerischen Leistung in der Objektkunst beantworten Befürworter dieses Genres mit dem kreativen Akt der Suche, Auswahl und Präsentation.
- Das Objekt wird seiner normalen Umgebung entrissen und beispielsweise in einer Galerie ausgestellt, was zu einer veränderten Perspektive und dadurch zu einer neuen Wirkung auf den Betrachter führt. Dieser Vorgang zählt ebenfalls zum künstlerischen Akt.
- Die Signierung des Gegenstandes vervollständigt die künstlerische Arbeit und stellt somit eine eindeutige Verbindung zwischen Künstler und Gegenstand dar.
- Oft steht die Verwandlung von alltäglichen und unedlen Gegenständen zu künstlerischen im Fokus der Objektkunst.
Eines der bekanntesten „ready mades“
von Duchamp ist der sogenannte „Flaschentrockner“. Der Begriff „ready
mades“ bedeutet, dass
ein
bestehender, industriell hergestellter Alltagsgegenstand zum Kunstwerk erklärt wird. Bei seinem
Werk „bottle dryer“ wurde ein Gestell verwendet, welches
früher ein wichtiger Haushaltsgegenstand war. Es ist ein ca. 60cm hohes Metallgebilde mit
Haken, auf die die Flaschen zum Trocknen gesteckt werden. Der
Flaschentrockner war damals sehr häufig in Haushalten vorzufinden, da es keine
andere Möglichkeit gab, enghalsige Gefäße rückstandsfrei zu trocknen.
Als Marcel Duchamp 1914 das Kunstwerk veröffentlichte, reagierten
die Betrachter größtenteils mit Unverständnis. Diese konservative
Reaktion auf Neues ist auch heutzutage noch oft zu beobachten.
Beim
ersten Anblick des „bottle dryer“ erinnert die Form an eine Vase,
einen Lampenschirm oder auch an einen Schmuckständer. Durch die
spitzen Haken werden Gedanken wie Vorsicht, Verletzungsrisiko und Abstand halten
hervorgerufen.
Ohne die Haken erinnert der
Flaschentrockner an ein Korsett aus dem 19. Jahrhundert, womit
Erotik, Sexualität und Weiblichkeit assoziiert werden.
Die „Fontaine“ ist ebenfalls
Duchamps bekanntesten Werken zuzuordnen. Ein handelsübliches Urinal
aus Sanitärkeramik der Firma J. L. Mott Iron Works wird um 90 Grad
gedreht und damit liegend präsentiert. Ebenso wie bei „bottle
dryer“ ist durch die Form des Objekts, in dem manche eine Ähnlichkeit mit einer Gebärmutter erkennen wollen,
ein Geschlechterbezug und somit ein erotischer Aspekt vorhanden.
Mit
dem Gegenstand „Pissoir“ verbindet man Urin, Gestank und Ekel. Im
Gegensatz dazu stellt Duchamp durch die Bezeichnung „Fontaine“,
was auf deutsch „Springbrunnen“ bedeutet, eine Verbindung zu
Reinheit, Ästhetik und klarem Wasser dar.
Die Löcher, die als
Abfluss dienen, lassen durch ihre Anordnung ein geheimnisvolles, sogar religiös wirkendes
Ornament assoziieren.
Bei der Signierung mit einem Pseudonym erreicht Duchamp durch
die Onomatopoesie (Lautmalerei) „R. Mutt“ (amerikanisch = Straßenköter) die
beabsichtigte Provokation.
„Fountain“:
„bottle dryer“:
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