Das
ehemalige Künstlerpaar Marina Abramovic und Ulay hat von 1976 bis 1988 viele Performances
zusammen erarbeitet und durchgeführt, in denen sie immer "Bilder" für den momentanen Zustand ihrer Beziehung gefunden haben.
Eine bedeutende Performance, vor allem auch wenn
man ihre Liebesgeschichte betrachtet, ist „Night Sea Crossing“. Dabei
sitzen sich die beiden in einem Museumssaal an einem Tisch gegenüber. Wochenlang, täglich, von Beginn bis Ende der Öffnungszeiten, sitzen sie in den berühmtesten Museeen der Welt. Allerdings verhalten sie
sich extrem passiv, d.h. sie bewegen sich nicht und reden auch nicht, sondern starren sich nur
an. Die Besucher des Museums sehen die beiden und erwarten viellicht etwas, doch
nichts passiert, sie sind wie zwei leblose Ausstellungsstücke. Die Performance geht sogar danach weiter, sie achten darauf dass sie außerhalb des Museums keiner sieht, sie reden nicht miteinander und fasten.
Man kann vermuten, dass die Kunstwelt genauso hohe
Erwartungen wie die zwei Liebenden an ihre Beziehung hatte
– beide wurden enttäuscht. Dadurch, dass Marina und Ulay ihre Liebe zum Thema ihrer Kunst machten und dadurch öffentlich auslebten, standen sie unter ständiger Beobachtung, sie galten sogar als das "Vorzeigepaar" schlechtin. Dem Druck der Erwartungen konnten sie auf Dauer jedoch nicht standhalten, und sehr wahrscheinlich haben sie vergessen an ihrer Beziehung zu arbeiten
und somit hat auch die Verliebtheit und die Liebe nachgelassen. Dies spiegelt sich
auch in ihren Performances wider, denn diese enthielten mit der Zeit immer
weniger Körperkontakt.
Im Rückblick kann man Night Sea Crossing als
Vorboten für das Ende der Beziehung bezeichnen, denn Ulay hat den
körperlichen Druck des Dasitzens nicht mehr ausgehalten und ist
aufgestanden und gegangen.
Ihre
letzte gemeinsame Performance, die sie 1988 gemacht haben, heißt „The
Lovers“. Beide hatten sich von einem Ende der Chinesischen Mauer aufgemacht und
liefen sich entgegen, um sich in der Mitte, die nicht genau
definiert war, treffen zu können, dort eine chinesische Hochzeit zu
feiern und somit ihre Liebe zu erneuern und die Beziehung zu retten.
Allerdings, als die beiden sich nach Wochen tatsächlich getroffen haben, beschlossen sie, sich zu
trennen, denn ihnen ist in der „Einsamkeit“ ihrer Wege klar geworden,
dass es ihnen damit besser geht. Somit könnte man diese Performance auch als den Weg zur Trennung betrachten.
2012
hat Marina Abramovic mit „The Artist Is Present“ eine Solo-Performance
gestartet. Dabei wollte sie wahrscheinlich auf „Night Sea Crossing“
anspielen, denn sie saß an einem Tisch, einem leeren Stuhl gegenüber.
Auf diesen leeren Stuhl durften sich die Museumsbesucher setzen. Dies
wollten auch viele tun, denn es sammelte sich eine riesige Menschenmenge an
die geduldig darauf wartete, auf diesem Stuhl, Marina Abramovic gegenüber, Platz nehmen zu können. Während die Menschen auf dem
Stuhl sitzen und Marina in die Augen schauen, gehen ihnen tausende
Gedanken durch den Kopf. Man sieht ihnen oft den Schmerz
und die Einsamkeit, die sie in diesem Moment fühlen, in Form von Tränen an. Die Menschen
haben keinen anderen Rückzugsort als sich selbst und müssen mit ihren
eigenen Gefühlen klar kommen.
Irgendwann kommt Ulay und setzt sich auf
den Stuhl. Dies ist das erste Mal nach ihrer Trennung, dass sie sich
wiedersehen. In diesem Moment ist auch Marina zu Tränen gerührt und sie
fängt an zu weinen. Nach einiger Zeit geben sie sich die Hände und
plötzlich fangen alle Menschen, die im Museumsraum sind und vorher noch
still waren, an zu klatschen.
Allerdings
ist Marina Abramovic nicht nur Performance-Künstlerin, sondern sie
macht auch Objektkunst.
Eines ihrer Kunstwerke heißt „Shoes for
Departure“, was auf Deutsch übersetzt „Schuhe für die Abreise“ heißt.
Schaut man sich das Kunstwerk allerdings etwas genauer an, stellt man
fest, dass es unmöglich ist mit diesen Schuhen zu gehen. Sie sind
übergroß und aus dem schweren Halbedelstein Amethyst gefertigt. Da
es Marina wichtig ist, immer ein Teil ihrer Kunstwerke zu sein, hat sie
den Rohstoff mit ihren eigenen Händen aus einem Bergwerk in Brasilien
geschlagen.
Mit ihrem Kunstwerk wollte sie den Betrachter zum Teil der Kunst machen, indem er in die kühlen und glatten Schuhe
hineinschlüpfen kann. Allerdings kann man sich nicht bewegen und ist somit
gefangen.
Die Beine in Schrittstellung fixiert, den Blick auf die leere Wand gerichtet, kann die Reise eigentlich nur noch ins eigene Innere gehen.
Night Sea Crossing
The Lovers
The Artist Is Present
Shoes for Departure
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