Maria
Lassnig (1919-2014) malte teilweise mit geschlossenen Augen und verwendete in
ihren Bildern sogenannte Wirkungsfarben. Das bedeutet, dass sie Farben
hinsichtlich ihrer Wirkung einsetzt: Wenn sie z.B. ein „warmes“ Gefühl
vermitteln will, benutzt sie Rot- oder Orangetöne.
Es gibt
Symbol- und Ausdrucksfarben. Symbolfarben sind in den verschiedenen Kulturen festgelegt und können daher unterschiedliche Bedeutung haben (z.B. Weiß als Farbe der Trauer in Asien) während Ausdrucksfarben bei vielen Menschen ähnlich,
aber trotzdem individuell sind. (Rot erhöht z.B. die
Adrenalinausschüttung, kann aber sowohl für die Liebe als auch für den Aufstand und die Revolution stehen).
Wirkungsfarben sind Ausdrucksfarben; ein
anderer Künstler hätte also für die gleichen Gefühle andere Farben verwenden
können. Lassnig hofft, dass der Betrachter die Wirkungsfarben trotzdem „lesen“
kann.
Maria
Lassnig drückt mit ihren Werken ihre Gefühle aus und illustriert sie
gleichzeitig, indem sie sie in Formen und Farben übersetzt. So kann sie ihre
Gedanken und Gefühle sichtbar machen.
Dabei will
sie nicht nur große Sinnesempfindungen wie Angst oder Schmerz ausdrücken,
sondern auch Alltagsgefühle wie Müdigkeit oder Langeweile.
Ihre
Malweise ist das Gegenteil des Realismus. Im Realismus wird jeder Gegenstand in
der Farbe abgebildet, die er auch in Wirklichkeit hat.
Das Bild
„Zwei Arten zu sein“ ist zweigeteilt:
Auf der
rechten Seite befindet sich ein Selbstporträt. Dieses ist als solches
erkennbar, jedoch ist es nicht wirklichkeitsgetreu gemalt, sondern leicht
verzerrt. Das Porträt beinhaltet Reste von Realismus. Anstatt von realistischen
Farben werden aber u.a. Hellblau, Grün, Lila und Rot verwendet. Maria Lassnig
bildet ausschließlich das Gesicht ab. Der Kopf oberhalb der Stirn und die Haare fehlen völlig,
weil sie diese nicht wahrnimmt.
Im linken
Teil des Bilds ist ebenfalls ein Selbstporträt, allerdings ist es noch stärker abstrahiert. Aus
diesem Grund erkennt man es erst auf den zweiten Blick als Gesicht. Der Kopf
ist im Verhältnis zu Hals und Schultern sehr groß dargestellt. Das liegt daran,
dass der Kopf das Zentrum der Gefühle und Wahrnehmungen und deshalb sehr
wichtig ist. Die meisten Sinneswahrnehmungen wie Sehen, Hören usw. finden hier
statt. Die Schultern und der Hals sind in Orange gemalt, was ein Hinweis auf
Verspannungen oder Schmerzen in diesem Bereich sein kann.
Auch zwei
große runde Formen sind erkennbar. Diese können als ein Auge und eine Mundhöhle
interpretiert werden, da sowohl der Seh- als auch der Geschmackssinn eine große
Rolle im täglichen Leben spielen.
Im Gegensatz
zum rechten Porträt ist das linke ein reines Gefühlsbild, das ausschließlich
Gefühlszustände ausdrückt. In beiden Porträts kommen sog. Körperfarben zum
Einsatz, es werden also bestimmte Farben für die jeweiligen Körperteile,
Krankheiten und emotionalen Zustände verwendet; dabei werden wichtige Bereiche
größer abgebildet. So wird die Befindlichkeit des Körpers dargestellt.
Protokoll: I.B. Q11 2015
Der Begriff "Realismus" ("realistisch") wird hier - wie sehr häufig - falsch verwendet. Gemeint ist "Naturalismus" ( bzw. eine naturalistische Darstellungsweise). Der Realismus war eine Kunstepoche/- strömung, die auf die Romantik folgte und in der auch durchaus nicht-naturalistische Farben verwendet wurden, um die Bildaussage zu verstärken.
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