Donnerstag, 22. Juni 2017

Performance: Timm Ulrichs




„Ich kann keine Kunst mehr sehen“ lautet der Titel eines der bekanntesten Werke des Performance-Künstlers Timm Ulrichs. Requisiten wie Blindenstock, Armbinde und Brille lassen den Betrachter automatisch einen Sehbehinderten assoziieren. Der Grundbaustein für Ulrichs Darstellung ist gelegt, aber den Kern seines Werks trägt der Blinde mit einem Schild um den Hals: „Ich kann keine Kunst mehr sehen.“ Diese Botschaft des Künstlers richtig zu deuten ist schwierig, weshalb es nur zu ambivalenten Interpretationen kommt. (Die Kunst, die ihm vermittelt wird, nicht mehr sehen oder erkennen können. Kunstwerke nicht als Kunst anzusehen. Von der Kunst gelangweilt.)


Die Kunst der Performance entstand in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts und leitet sich vom Englischen „to perform“ (dt. darstellen) ab. Künstler malen kein Bild und lassen es ausstellen, sondern führen eine Art Schauspiel, allerdings ohne Rollen und Texte auf. In meist einmalig stattfindende Aufführungen - nur mit wenigen, einfachen Requisiten - vermittelt der Künstler eine Message an die anwesenden Zuschauer. Somit ist die Performance eine vergängliche Kunstart, sie existiert nur im Moment der Aufführung für die anwesenden Zuschauer und kann später höchstens in Form von Fotos oder Filmaufnahmen erlebt werden. Manchmal bleiben auch Objekte oder Installationen, die in der Performance eine Rolle gespielt haben, wie im nachfolgenden Beispiel.

„Der Findling“ ist ein weiteres bedeutendes Werk Timm Ulrichs. Hier besteht die Performance aus zwei Teilen. Die Vorarbeit wird durch einen in der Mitte geteilten Findling, der geöffnet platziert wird, geleistet. Darinnen befindet sich die Negativform eines liegenden Körpers, die exakt nach den Maßen des Künstlers ausgehoben worden ist. Nachdem sich der Künstler in die Vertiefung gelegt und ein Kran die obere Hälfte auf die untere des Steins positioniert hat, folgt die eigentliche Performance, in der der Körper, der Timm Ulrichs selbst ist, eine transformative Erfahrung erlebt. Der Künstler ist ca. 10 Stunden gefangen, während das Publikum wartend und schließlich staunend miterlebt, wie Ulrichs wieder aus dem Stein befreit wird.
Diese extreme Form der Performance erfordert physische und psychische Vorbereitung. Durch Meditation, Atemübungen und Kontrolle des Schmerzempfindens hat sich der Künstler auf Warnehmungsverluste, Abschottung und gesundheitliche Beeinträchtigungen vorbereitet. 
Die Gegenüberstellung von Leben und Tod, die Beschäftigung mit der Vergänglichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk des Künstlers. In „Der Findling“ stellt der Stein Assoziationen zum Tod her, einem in Stein eingebetteten Fossil, einem Sarkophag als Form des Grabes, jedoch gleichzeitig auch zum Leben und der Geburt, da der Körper in Embryonalstellung im Stein liegt. 


Was bleibt nach der Performance? Der Findling ist noch heute an derselben Stelle in Nordhorn zu besichtigen. Jeder kann sich in die Vertiefung legen, oder sich zumindest vorstellen, wie es sein muss, in dem Stein eingeschlossen zu sein.

Kunst und Betrachter

Redet man von Kunst, denkt man meistens an etwas dass nur zum Anschauen und auf gar keinen fall zum Anfassen gedacht ist. Doch es gibt auch Künstler, die den Betrachter direkt mit ins Werk einbeziehen. Der Mensch muss sich mit dem Werk beschäftigen, eine vollständige Betrachtung ist meistens nur durch die Bewegung um das Werk herum möglich. 

Schon in der Renaissance, während der Epoche des Manierismus, wurde mit der Plastik "Raub der Sabinerinnen" mit der Mehransichtigkeit der Plastik gearbeitet. Bei der Figura Serpentina (verschlungene Figur) gab es keine Frontalansicht und der Betrachter musste sich bewegen um alles erkennen zu können. Es etablierte sich auch ein neuer Trend: Schöne Kunst zu manchmal hässlichen Themen, wie "Der Raub der Sabinerinnen" von Giambologna (1579). 

Auch bei Alberto Giacomettis "Schreitenden" gibt es mehrere Schauseiten, und je nach Blickwinkel überschneiden sich die Figuren und es ergibt sich die Illusion einer Bewegung. 

Allerdings gibt es auch Künstler wie Carl André, die Kunstwerke erschaffen, bei denen der Betrachter aufgefordert wird, wirklich über die Installation zu laufen. Seine Installation "144 Steel Plates" beschreibt genau seinen Aufbau, ein leerer Raum mit dunklen Stahlplatten in der Mitte. Durch das darüber laufen fühlt man sich einerseits, als würde man einen Tabubruch begehen, andererseits fühlt man sich nun als Teil des Kunstwerks.

Manche Künstler, wie Do-ho Suh, wollen die Menschen durch Mitmachen zum Nachdenken anregen, denn in seinem Kunstwerk "Floor" steckt auch eine politische Komponente. Der Glassockel der von winzigen Menschenfiguren getragen wird, von denen man zunächst nur die kleinen, wie Blüten aussehenden Handflächen wahrnimmt, könnte man als eine Metapher für unsere Gesellschaft sehen, in der die Priviligierten stark auf Kosten der Massen leben und in der persönliche Freiheiten aufgegeben werden müssen um eine starke Gesellschaft erhalten zu können. 

Eine weitere Kunstart welche von der Beteiligung des Publikum lebt, ist die Installation "Body Check" des österreichischern Performancekünstlers Wolfgang Flatz. Er verhängte den Durchgang einer Galerie mit einigen Reihen von Boxsäcken so eng, dass die Besucher die Säcke zur Seite schieben mussten um in den nächsten Raum zu kommen. Das Gewicht der Boxsäcke und der Druck durch andere Personen, die ebenfalls den Durchgang durchquerten, übte eine unerwartete Gewalt auf die Besucher aus. Es entstand ein Gefühl der Verunsicherung,  man stellt sich die Frage "Wie reagiere ich auf diese Gewalt? Wer steckt dahinter? Widerfährt sie mir absichtlich oder ist sie Zufall? Löst meine Bewegung ebenfalls Gewalt aus? Bin ich Opfer oder Täter?"

Donnerstag, 8. Juni 2017

Abstrakter Expressionismus: Jackson Pollock


Jackson Pollock (1912-1956) war ein amerikanischer Künstler und einer der wichtigsten Vertreter des Abstrakten Expressionismus. Beim Abstrakten Expressionismus geht es nicht um Perfektion, oder um Vernunft, sondern um Spontaneität und Ausdruck.

Action Painting
Er selbst erfand eine neue Art Kunst zu erschaffen, das sogenannte Action Painting, da für ihn das Malen durch das In-Bewegung-Sein entsteht. Beim Action Painting wird keine Acht darauf gegeben, wo die Farbe hinfließt, sie wird auf das Bild gespritzt, gegossen und geschleudert.
Der  Fertigungsprozess des Bildes ist auch gleichzeitig sein Thema.

Entstehungsweise:
Pollock erschuf seine Kunstwerke vor allem draußen, in der Natur, wo er und die riesigen Leinwände, auf denen seine Gemälde stets entstanden, genug Platz hatten. Der Künstler malte nicht wie gewöhnlich mit einem Pinsel, sondern ließ die Farbe über einen Stock auf das Bild fließen. Teilweise bohrte er auch Löcher in die Farbeimer und ließ die Farbe so auf das Bild tropfen. Diese Technik nennt man Dripping.
Die in mehreren Schichten entstandenen Linien überlagerten und überschnitten sich unzählige Male. Dadurch entstand der Eindruck der Dreidimensionalität und auch eine gewissen Bewegung auf seinen Bildern, die hauptsächlich aus Schwarz-, Weiß-, und verschiedenen Brauntönen bestehen und durch die unterschiedlichen räumlichen Tiefenwerte der Farben an Gespinste erinnern, die in das Bild hineinführen und teils sogar vor der Leinwand zu schweben scheinen. Alle Teile des Bildes wurden gleich ausgearbeitet, es gibt kein Zentrum und keine begrenzenden Randbereiche, Pollock nennt diese Art der Komposition das All-Over.
Die Leinwände blieben stets ohne Rahmen, so dass man sich das Liniengewebe auf Bild in jede Richtung über die Leinwand hinaus fortgesetzt vorstellen kann.


I want to express my feelings, not illustrate them.
"Ich möchte meine Gefühle lieber ausdrücken, als darstellen."

Für Jackson Pollock bedeutete ausdrücken nicht das Gleiche, wie darstellen. In einer Darstellung wird versucht, über den Umweg eines bestimmten Motivs, das der Betrachter wiedererkennen und ähnlich bewerten soll wie der Maler, eine bestimmte Emotion illustriert.
Bei der abstrakt-expressiven Malerei malt der Künstler, wie es ihm intuitiv richtig erscheint, und vor allem so, wie es sein momentanes Gefühl gerade am besten ausdrückt. Allgemein waren für Pollock seine Gefühle die Leitlinie für alle seiner Werke, er wollte bei jedem Betrachter seiner Bilder Gefühle auslösen, die aber komplett unterschiedlich sein konnten. Ein Rückschluss auf den Gemütszustand des Malers zum Zeitpunkt des Malens ist nicht möglich.

When I am in my painting, I'm not aware of what I'm doing.
Read more at: https://www.brainyquote.com/quotes/quotes/j/jacksonpol332818.html
 When I am in my painting, I´m not aware of what I´m doing.
When I am in my painting, I'm not aware of what I'm doing.
Read more at: https://www.brainyquote.com/quotes/quotes/j/jacksonpol332818.html
"Wenn ich in meinem Bild bin, bin ich mir nicht bewusst, was ich tue."

Autumn Rhythm

Nr. 32

Kompositionsanalyse: Raum-Volumen-Verhältnis



Raumabweisende Plastik - Kernform


Raumlineatur

Alberto Giacometti: Taumelnder Mann



In seinem Werk „Taumelnder Mann“ spiegelt Giacometti die Philosophie des Existenzialismus von Jean Paul Sartre, die Betrachtung des „Seins“ und „Nicht Seins“ und der materiellen Existenz, durch die Gestaltung des Volumens und der Masse der Figur und dem sie umgebenden Raum wider. 

Während die Figur des Mannes das „Sein“ symbolisiert, stellt alles um die Figur herum, der leere Raum, das „ Nicht Sein“ dar, was auch als bedrohlich assoziiert wird. Dies wird an der taumelnden Bewegung des Mannes , der zu fallen droht, deutlich. Die Plinthe, deren relativ hohe und massive Ausführung auffällt, könnte die Verbundenheit und Abhängigkeit der menschlichen Existenz von der Materie aufzeigen.

In dem Kunstwerk findet eine dynamische Bewegung in Richtung des Armes statt (Raumweisende Gestaltung). 

Auch der geringe Kontakt der Figur zur Plinthe, trotz der dicken Füße, unterstreicht den Bewegungsvorgang des Fallens. Doch dass der Mann letztendlich fallen wird  verrät der Schwerpunkt der Figur, der nicht über den Füßen liegt, wie es sein müsste, um das Gleichgewicht zu halten, sondern deutlich über die Plinthe hinausragt, während die Beine nicht reagieren. 

Was auf den ersten Blick auf dieses Kunstwerk außerdem  als auffällig erscheint, sind die unnatürlichen Proportionen  des Mannes. Nur die Füße, das Becken, die Schultern und die Brust besitzen etwas mehr Masse, der restliche Körper bleibt drahtähnlich dünn und wirkt geradezu zerbrechlich. Die Oberfläche ist überall stark zerklüftet, so dass selbst an den massereicheren Stellen kein echtes Volumen entsteht. 
Das Verhältnis von Volumen zu Raum hat sich extrem zu Gunsten des Raumes verschoben, man spricht auch von einer Raumlineatur.

Mittwoch, 7. Juni 2017

Volumen und Raum in der Plastik I



Körper können in der Kunst viele verschiedene Formen haben. Betrachtet wird dabei immer das Volumen, also der definierte Raum bzw. die Form  und der Raum, der allerdings schwierig zu definieren ist, da er nicht von einer Form belegt ist. Analysiert wird dann das Verhältnis von Volumen und Raum.
Ein Beispiel für einen Körper ist der Würfelhocker aus Granit, der den ägyptischen Priester Petamenophis darstellt, aus dem Jahr 680 v.Chr. Der Würfelhocker ist durch seine Kernform sehr kompakt, man stellt sich aber hier die Frage „Warum ist er viereckig?“ Es fällt auf, dass nur ein einziges Körperteil von Petamenophis dreidimensional dargestellt wird und zwar sein Kopf bzw. sein Gesicht. Das Gesicht macht den Würfelhocker einzigartig, genau wie bei einem lebendigen Menschen, denn an einem Körper ist es schwierig jemanden zu identifizieren, aber ein Gesicht, ist eindeutig. Bei der Darstellung des restlichen Körpers fehlt diese Dreidimensionalität, denn es fehlen viele Zwischenräume, zum Beispiel zwischen den Beinen, und die Extremitäten werden nur reliefartig angedeutet, dadurch sind sie nicht wirklich dreidimensional. Es sieht aus als ob Petamenophis ein Tuch eng um sich liegen hat. Am Rücken sowie am Boden sind zwei Platten mit denen er fest verbunden ist. Die Bodenplatte stellt hierbei die Basis da, man nennt sie auch Sockel oder Plinthe. Auf ihr  sind Schriftzeichen und Figürchen abgebildet, die man auch auf seinen Beinen und der Rückseite finden kann.
Warum Würfelhocker überhaupt gefertigt wurden lässt sich durch die Religion erklären. Der Körper hatte im alten Ägypten eine wichtige Rolle zum Weiterleben nach dem Tod. Die Figur wurde anstelle eines balsamierten Körpers angefertigt, da sie um einiges günstiger war. In ihr wurde die Seele identifiziert. Der Name wurde mit Hieroglyphen auf den Sockel geschrieben. Der Körper wurde nicht individuell dargestellt, daher auch nur die reliefartige Darstellung, der Kopf aber ist ein echtes Portrait. Auch die Wahl Des Materials hat eine tiefergehende Bedeutung. Granit ist für seine Härte bekannt und dadurch soll das Abbild für die Ewigkeit halten. Auch die Pose trägt zur Erhaltung der Figur bei. Denn sie bietet durch die statische  Darstellung sehr wenig Angriffsfläche und ist daher sehr stabil.