Donnerstag, 22. Juni 2017

Kunst und Betrachter

Redet man von Kunst, denkt man meistens an etwas dass nur zum Anschauen und auf gar keinen fall zum Anfassen gedacht ist. Doch es gibt auch Künstler, die den Betrachter direkt mit ins Werk einbeziehen. Der Mensch muss sich mit dem Werk beschäftigen, eine vollständige Betrachtung ist meistens nur durch die Bewegung um das Werk herum möglich. 

Schon in der Renaissance, während der Epoche des Manierismus, wurde mit der Plastik "Raub der Sabinerinnen" mit der Mehransichtigkeit der Plastik gearbeitet. Bei der Figura Serpentina (verschlungene Figur) gab es keine Frontalansicht und der Betrachter musste sich bewegen um alles erkennen zu können. Es etablierte sich auch ein neuer Trend: Schöne Kunst zu manchmal hässlichen Themen, wie "Der Raub der Sabinerinnen" von Giambologna (1579). 

Auch bei Alberto Giacomettis "Schreitenden" gibt es mehrere Schauseiten, und je nach Blickwinkel überschneiden sich die Figuren und es ergibt sich die Illusion einer Bewegung. 

Allerdings gibt es auch Künstler wie Carl André, die Kunstwerke erschaffen, bei denen der Betrachter aufgefordert wird, wirklich über die Installation zu laufen. Seine Installation "144 Steel Plates" beschreibt genau seinen Aufbau, ein leerer Raum mit dunklen Stahlplatten in der Mitte. Durch das darüber laufen fühlt man sich einerseits, als würde man einen Tabubruch begehen, andererseits fühlt man sich nun als Teil des Kunstwerks.

Manche Künstler, wie Do-ho Suh, wollen die Menschen durch Mitmachen zum Nachdenken anregen, denn in seinem Kunstwerk "Floor" steckt auch eine politische Komponente. Der Glassockel der von winzigen Menschenfiguren getragen wird, von denen man zunächst nur die kleinen, wie Blüten aussehenden Handflächen wahrnimmt, könnte man als eine Metapher für unsere Gesellschaft sehen, in der die Priviligierten stark auf Kosten der Massen leben und in der persönliche Freiheiten aufgegeben werden müssen um eine starke Gesellschaft erhalten zu können. 

Eine weitere Kunstart welche von der Beteiligung des Publikum lebt, ist die Installation "Body Check" des österreichischern Performancekünstlers Wolfgang Flatz. Er verhängte den Durchgang einer Galerie mit einigen Reihen von Boxsäcken so eng, dass die Besucher die Säcke zur Seite schieben mussten um in den nächsten Raum zu kommen. Das Gewicht der Boxsäcke und der Druck durch andere Personen, die ebenfalls den Durchgang durchquerten, übte eine unerwartete Gewalt auf die Besucher aus. Es entstand ein Gefühl der Verunsicherung,  man stellt sich die Frage "Wie reagiere ich auf diese Gewalt? Wer steckt dahinter? Widerfährt sie mir absichtlich oder ist sie Zufall? Löst meine Bewegung ebenfalls Gewalt aus? Bin ich Opfer oder Täter?"

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