Buch: Grundkurs 2 / S. 166
1. Flaschentrockner
(1914, Ready-made, Eisen, Höhe 64,2cm, Replik 1964, Musée National d’Art Moderne,
Paris)
-
Flaschen werden auf einzelne Haken gesteckt,
damit keine waagrechte Fläche, und somit keine Kalkränder entstehen und die
Flaschen nicht umfallen.
-
Heutzutage gibt es keine Flaschentrockner mehr à Flaschen werden
gesammelt und zurückgegeben.
-
Früher wurden Flaschen zuhause gesäubert,
getrocknet und wieder aufgefüllt.
Beschreibung:
-
Der Flaschentrockner erinnert an einen Turm oder
an einen Schmuckständer oder (wegen der Haken) vielleicht sogar an ein
Foltergerät.
-
Die Form sieht sehr gefährlich/erotisch/skurril/
abstrakt aus.
-
Ohne Haken erinnert der Flaschentrockner an ein
Korsett aus dem 19. Jahrhundert (erotisch, weiblich).
--> Weibliche
Form + Stacheln (Haken) --> Fetisch Garderobe ?!
-
Im übertragenen Sinn könnte dies eine eiserne
Jungfrau darstellen.
Interpretation:
-
„Ready-made“ oder auch Objét trouvé bedeutet
gefundenes Objekt bzw. Fertigprodukt.
-
Duchamp hatte das Objekt nicht selbst gemacht,
was er aber auch nicht behauptete.
-
Die Künstler mussten damals gegen großen Widerstand
kämpfen, wenn sie etwas Neues machen wollten.
-
Duchamp signierte einen Flaschentrockner, stellte
diesen in einer Galerie auf einem Sockel auf und behauptete: „Das ist ein
Kunstwerk“.
-
Die Leute fragten sich damals was das solle und
wo da der künstlerische Wert sei.
-
Er hat dieses Objekt aus seinem ursprünglichen
Kontext, aus seiner eigentlichen Umgebung (Küche) herausgerissen und es in eine
Galerie gestellt, wo es eigentlich nicht hingehört.
-
Hierbei ist nicht der Gegenstand allein das
Kunstwerk, sondern die Aktion ist das Kunstwerk.
--> Die Idee den Kontext zu verändern.
-
Sinn, Ziel und Zweck Duchamps war es, den Leuten
die Augen zu öffnen und genauer hinzusehen, was jeder von ihnen Zuhause für
tolle und interessante Objekte hat.
-
Der ursprüngliche Macher des Objekts war hierbei
Anonym.
-
Marcel Duchamp wollte die Genialität des
Handwerks feiern.
-
Das Publikum war jedoch geschockt und lachte ihn
aus.
-
Die Kunst war für viele eine Ersatzreligion
(heilig!), weswegen Duchamps Aktion als große Provokation interpretiert wurde.
-
Kunst wurde damals zur Geheimwissenschaft, die
nur der gebildeten Schicht zugänglich war.
-
Dieses Bildungsbürgertum wurde immer
konservativer und wollte niemanden „hoch kommen“ lassen.
-
So haben die Bildungsbürger die
Geheimwissenschaft als Hürde benutzt um andere auszuschließen, die keine
Möglichkeit auf Bildung hatten (eine Art Schutzschicht).
-
Sie benutzten sogar eine Sprache, die nicht
jeder verstand (-->
strukturelle Gewalt).
-
Diese elitäre Gesellschaft versuchte sich das „gemeine“ Volk vom „Hals
zu halten“.
-
Diese intellektuelle Herausforderung an etwas
teilzuhaben, was nicht jeder hatte war die Idee der Exklusivität.
-
Somit waren sie die einzigen, die Zugang zu dem
Werk (Flaschentrockner) hatten.
2. Springbrunnen
(1917, Ready-made, Urinoir aus Sanitärporzellan, Höhe
62,5cm, Replik 1964, Privatsammlung)
Beschreibung:
-
Mit dem Pissoir verbindet man Urin, Gestank und
Ekel. Die Umgebung ist eigentlich Tabu.
-
Mit einem Springbrunnen hingegen verbindet man
klares Wasser, Ästhetik und Reinheit.
-
Signatur: R. Mutt, RRR ist lautmalerisches knurren, "mutt" ist amerikanischer Slang für "Straßenköter" (was eine weitere
Provokation darstellt).
Interpretation:
-
Dass Marcel Duchamp mit allen Mitteln
provozieren wollte ist nun offensichtlich, was war aber der Grund dafür? à 1914 war der Beginn
des ersten Weltkriegs!
-
Für viele war der Krieg ein großes Abenteuer,
der romantisiert wurde.
-
Was Krieg aber eigentlich bedeutet, geriet in
Vergessenheit (seit deutsch-französischem Krieg).
-
Die intellektuelle Bürgerschicht hatte die
Hoffnung, dass Europa durch den Krieg gereinigt bzw. erneuert wird.
-
Niemand hat erwartet, dass so viele Menschen
sterben und verletzt werden.
-
Die junge Elite Europas hat ihr Leben auf dem
Schlachtfeld gelassen.
-
Nur eine kleine Hand voll Menschen hat das wahre
Ausmaß erkannt, zu der Marcel Duchamp gehörte. Diese Menschen gingen in
politisches Asyl und protestierten gegen den Krieg und diese Haltung, dass der
Krieg ein Abenteuer sei und Europa dadurch gereingt wird.
--> Provokation
der Mitkünstler
-
Duchamp protestierte gegen das Bildungsbürgertum
und gegen die Künstler, die den Krieg
unterstützen(z.B. die Futuristen in Italien, Expressionisten in Deutschland). Zudem wollte er den Menschen die Augen öffnen.
-
Mit seinen Signaturen provozierte er ebenfalls.
Neben „R. Mutt“ signierte er seine Objekte auch mit „Marchand du Sel“, was
Salzverkäufer bedeutet.
-
Salz war damals das weiße Gold. Es machte Fleisch
länger haltbar und verlieh Geschmack. (-->
Würze des Lebens)
-
Im übertragenen Sinn verkaufte er die Würze des
Lebens.
-
Er brachte den Gegenstand in einen anderen
Zusammenhang (veränderte ihn) und machte somit Kunst.
-
Duchamp sah sich als jemand der die Menschen
bereichert und sie dazu anregt, Dinge neu zu sehen.
-
Duchamps Ebenen spielen miteinander, wobei keine
von ihnen weder richtig noch falsch ist.
Hintergrund:
-
Marcel Duchamp war als junger Künstler ein
Anhänger des Kubismus und des Malers Picasso.
-
Er hat als traditioneller Maler (futuristisch)
angefangen. Nachdem er auf Picasso traf ließ er diese Karriere plötzlich hinter
sich und machte mit der Objektkunst weiter. Nachdem er auch damit aufhörte,
spielte er für den Rest seines Lebens Schach.
-
Die Künstler fanden damals durch ihre politische
Einstellung zueinander. Sie alle waren gegen den Krieg und nannten sich die
„Dadaisten“. Der Dadaismus wurde zum
Programm. (Erst: Unsinn, unkünstlerisch, Provokation der gehobenen Schicht: „Eure
Kunst ist nichts wert.“)
3. Fahrrad-Rad
Abschließend wurde in Einzelarbeit eine Beschreibung zu
diesem Bild durchgeführt und eine Interpretation gefunden.
--> Man nennt diese
Kunstgattung „Objektkunst“.
Protokoll: L.F. 1KU3 2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen