Dienstag, 24. Juni 2014

„Körper“ in der Bildhauerei




Die Bildhauerei beschäftigt sich von jeher intensiv mit dem Thema „Körper“. 

Schon in der Zeit vor Christus war die Neugier von den Menschen für andere Menschen vorhanden. Dies zeigt das Beispiel von der ältesten Statue eines Menschen aus Kalkstein:Venus von Willendorf (ca. 20 000 v.Chr.). Bei der Beschreibung fällt auf dem ersten Blick auf, dass es sich um eine weibliche Figur handelt, deren Körperproportionen jedoch nicht realen Körpern entsprechen. Auch ist der Kopf seltsam geschnitzt,  die Frisur ist aufwändig gestaltet aber es fehlt ein Gesicht. Füße sind nicht mehr vorhanden (evtl. abgebrochen). Die Arme sind nur als Linien sichtbar und liegen auf den enorm großen Brüsten. 
Alle Merkmale dieser Statue zeigen, dass der Künstler nicht vor hatte eine naturgetreue Abbildung einer realen weiblichen Zeitgenossin zu schaffen, sondern er wollte ein Idol: eine Wunschvorstellung und Idealbild erschaffen. (vergl. mit Höhlenmalerei). Das nicht vorhandene Gesicht ist ein Symbol, genauso wie die falschen Proportionen, die die Fruchtbarkeit und den Wohlstand/die gute Ernährung symbolisieren sollen. Denn der Prozess des Kindergebärens war in dieser Zeit noch geheimnisvoll und wundersam, sodass es einen religiösen Aspekt bekommt.

Von Beginn an ist es also möglich durch die Darstellung des Menschen Religiosität, philosophische Vorstellungen und Wunschträume weiter zu geben.


Analyse von Plastiken
Im Gegensatz zum Analysieren von Malerei, spielen die Farben beim Analysieren einer Bildhauerei selten Rolle, es gibt zwar bemalte Plastiken, aber in den meisten Fällen beschränkt sich die Farbigkeit auf die Farbe und Bearbeitung des Ausgangsmaterials (Holz, Stein, Ton, Metall; roh, poliert, patiniert). 

Oft ist es auch schwierig eine bestimmte Komposition festzulegen, denn sie verändert beim Herumlaufen um die Figur, wie die Umrisslinien selbst. 
Dafür sind echte Räumlichkeit und Plastizität vorhanden.

Raum und Volumen
Bei der Bildhauerei sind Raum und Volumen ein zentrales Mittel für die Unterstützung der Aussage und in jeder Plastik vorhanden. Die Spannung einer Plastik entsteht aus dem Widerstreit von leerem, endlosen, umgebenden Raum und des begrenzten Volumens des plastischen Körpers. 
Ein "starkes" Volumen erinnert an einen Körper beim Einatmen: der Torso wölbt sich nach außen, er wirkt dadurch energiegeladen.

Ein Beispiel ist „der ägyptische Würfelhocker“. Das Verhältnis von Raum und Volumen stellt hier eine Extremform dar, die sogenannte Kernform: die plastische Form besteht ausschließlich aus raumabweisenden, konvexen Formen, es sind keine Einbuchtungen, Löcher oder konkaven Zwischenräume zu erkennen.

Zu erkennen ist der verhüllter/eingewickelter Körper eines Mannes, der auf einer Plinthe hockend Beine und Arme nah an den Körper angezogen hat. Aus der Umhüllung ragen nur Kopf und Füße heraus, die Form der Arme und Beine sind reliefartig angedeutet. Der Körper erinnert an einen quadratischen Block. Die ganze Statue ist aus Granit angefertigt und mit Hieroglyphen-Schrift verziert. Der Kopf  ist auffallend detailliert  dargestellt und geht in Richtung  eines Portraits. (hier: der Priester Petamenophis)
Das Volumen ist insgesamt sehr kompakt und nur an wenigen Stellen ist dem Druck des Raumes nachgegeben, so als wollte die Form sagen: „ Ich bin für immer hier und unzerstörbar!“
Dazu passt, dass dieses steinerne Portrait  tatsächlich den Dargestellten verewigen und damit sein Nachleben für die Zukunft sichern sollte.


Werke von Constantin Brancusi
Andere Beispiele für eine Kernformplastik, wie diese, ist zum einen „der Kuss“ von Constantin Brancusi. Dies ist eine Abstraktion und idealistische Vorstellung von einem Mann und einer Frau und deren Zweisamkeit.                                                                                                        
Zum anderen „Der Weltenanfang“, ebenfalls von Constantin Brancusi. Man erkennt beim ersten Betrachten nur eine Ei-Form, die das Symbol der Geburt der Welt darstellt. Aber es ist weit mehr als nur ein Ei, denn es ist die ultimative Kernform, eine Form die nur aus konvex gespannter Oberfläche besteht und durch seine Assymetrie sogar noch eine Richtung, d.h. eine Dynamik enthält. Sie kann immer wieder verschieden dargestellt werden, wie zum Beispiel: „ Die schlummernde Muse“ oder „Prometheus“ oder „ Der Neugeborene“, Symbole der Verheißung.

Protokoll: N.W. 1KU1 2013/14

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