Produktdesign wird oft voreilig als
Gebrauchskunst verurteilt, die keinen Raum für freien Ausdruck lässt. Die
Tatsache, dass es sich nützlich macht, impliziert jedoch nicht, dass es
minderwertig ist: So hat Produktdesign ohne Zweifel einen enormen Einfluss im
alltäglichen Leben. Alle von Menschen hergestellten Objekte liegen zwangsweise
einem mehr oder weniger aufwendigen Gestaltungsprozess zugrunde.
Die Analyse eines Produkts wird in
folgenden Kategorien gegliedert:
I. Praktische
Funktion
II. Ästhetische
Funktion
III. Symbolische
Funktion
Dabei kann u.a. auf verwendete
Materialien, die Anpassung an den Gebrauch des Produkts in der Praxis,
Ergonomie, Umweltaspekte Farbgebung, Form sowie Dekorelemente eingegangen
werden.
Beispiel: Mineralwasserflaschen
Exkurs: Geschichte der
Wasserflasche
Die Idee, Wasser abgefüllt
in Flaschen zu kaufen bzw. anzubieten erscheint bei genauerem Nachdenken
zunächst skurril: Da die Qualität von Leitungswasser in Deutschland streng
kontrolliert wird, könnte dieses eigentlich völlig bedenkenlos konsumiert
werden – bei Bedarf mithilfe eines „Sprudlers“ mit Kohlensäure
versetzt. Gibt es also Unterschiede? Weshalb konnte sich die Handhabung in
Flaschen überhaupt erst durchsetzen?
Die Vorstellung, Wasser sei
nicht gleich Wasser, war erstmals im 19. Jahrhundert zu beobachten: Dabei wurde
Wasser aus Mineralquellen aufgrund seiner besonderen Zusammensetzung als Heilmittel
für diverse gesundheitliche Beschwerden entdeckt und als eine Art „Medizin“
betrachtet. Man sprach von sog. „Heilwasser.“ Nach und nach entwickelte sich
daraus die Idee, Mineralwasser täglich zwecks Prophylaxe zu trinken. Die
Erfindung des Autos und die damit zunehmende Mobilität sorgte schließlich für
den Durchbruch des Flaschenwassers wie wir es kennen.
Inzwischen existiert eine Vielzahl an
verschiedenen Marken, die Trinkwasser anbieten. Diese versuchen sich natürlich
voneinander zu unterscheiden – konkret ist dies anhand des Produktes selbst
jedoch kaum möglich. Die für den Käufer ausschlaggebende Unterscheidung ist die
der Verpackung. Sie soll überzeugen und Bedürfnisse wecken.
Im Folgenden werden zwei verschiedene
Arten von Wasserflaschen genauer analysiert und verglichen.
A. Klassische
Form
In den 1960er Jahren wurde erstmals ein
universelles Design für eine wiederverwendbare Mineralwasserflasche
ausgearbeitet, das deutschlandweit von allen Herstellern übernommen wurde. Auch
heute ist dieses Design noch in Originalform beliebt und verbreitet. Eine
Unterscheidung der Marken besteht bei Verwendung eines einheitlichen
Flaschendesigns lediglich im Aufdruck der Etiketten.
I. Praktische
Funktion
Material
Die Flasche selbst besteht aus weißem
Glas, die Etiketten aus Papier und der Schraubverschluss aus Metall. Die
Verwendung von Glas erscheint plausibel, da die Flasche somit wiederverwendbar,
durchsichtig und gesundheitlich unbedenklich ist und das Etikett leicht
entfernbar ist. Die eher konservativ wirkende Verwendung von Papieretiketten,
die v.a. für Verpackungen in der Pharmaindustrie gebräuchlich ist, ist auf den
ursprünglichen Zweck des Mineralwassers als Heilmittel zurückzuführen.
Handhabung
Die Form der Flasche sowie die
verschiedenen Dekorelemente dienen v.a. dem Zweck der Ergonomie, d.h.
der Anpassung an den menschlichen Körper in Handhabung und Gebrauch in der
Praxis. Zum einen erlaubt die taillierte Form besseres und sichereres Greifen
der Flasche, da die Hand optimal eingepasst werden kann, zum anderen dienen die
reliefartig hervorstehenden Schriftzüge und Punkte als Abrutschschutz.
II. Ästhetische
Funktion
Form
Die untere Hälfte der Flasche ist
zylinderförmig aufgebaut, die obere wird in Richtung des Ausgusses zunehmend
schmaler. Auf etwa halber Höhe besitzt die Flasche rundum eine Einbuchtung, die
auch als Taille bezeichnet wird. Abstrakt betrachtet kann die Gesamtform
als Wassertropfen (oberer Teil), der in einen Becher oder ein Gefäß (unterer
Teil) hineintropft, gedeutet werden.
Dekorelemente
Die Taille der Flasche umfasst mehrere
reliefierte Elemente. Sowohl zwei in die Höhe gestreckte, schmale Schriftzüge
sowie zwei Abbildungen eines Siegels sind darauf zu erkennen. Oberhalb der
Taille finden sich regelmäßig verteilte, aber unterschiedlich große
hervorstehende Punkte, die das Licht unterschiedlich brechen. Letztere könnten
zum einen Kohlensäureperlen als Zeichen des Prickelns des Wassers darstellen –
außerdem ist denkbar, dass es sich um stilisiertes Kondenswasser handelt. Ziel
ist dabei, ein Durstgefühl beim Käufer zu wecken und Frische zu vermitteln.
Farbgebung
Die vorwiegende Verwendung der Farben
blau und weiß auf dem Etikett ist für Mineralwasserflaschen typisch: Sie
symbolisieren Frische und Reinheit. Der rote Schraubverschluss erzeugt Kontrast
und weckt die Aufmerksamkeit des Betrachters.
Im Jahr 1995 wurde ein neues Design für
Wasserflaschen der Marke Volvic entworfen, das bis heute verwendet wird und
sich von anderen geläufigen Designs in mehrerer Hinsicht deutlich absetzt.
I. Praktische
Funktion
Material
Die gesamte Flasche, mitsamt Banderole
(= rundum laufendes Etikett) und Schraubverschluss, besteht aus Plastik. Im
Gegensatz zu Glasflaschen sind Plastikflaschen leichter und nicht zerbrechlich,
also besser zum Transport geeignet. Dies macht sie u.a. in der Schule und am
Arbeitsplatz beliebt. Problematisch sind bei der Verwendung von Plastik als
Verpackungsmaterial für Trinkwasser jedoch die unklaren gesundheitlichen Folgen
sowie die geringe Wiederverwendbarkeit. Darüber hinaus besteht beim Recycling
die Gefahr der Umweltverschmutzung.
Handhabung
Die Ergonomie leidet unter der kantigen
Gestalt der Flasche, die das Greifen erschwert. Im Gegenzug sorgen die Rillen
des Wellenmusters für ein gewisses Maß an Halt, das von einer kleinen
Einbuchtung unterhalb des Etiketts, die v.a. beim Eingießen von Vorteil ist,
noch unterstützt wird. Das Vorhandensein von Kanten hat jedoch auch Vorteile:
Es erlaubt eine deutlich effizientere Lagerung, da verglichen mit „runden“
Flaschen weniger Zwischenraum durch besseres Einpassen entsteht.
Im Gegensatz zur zuvor analysierten
Glasflasche, die 0,75 Liter fasst, erreicht die Plastikflasche außerdem mit 1,5
Litern aufgrund der Abwesenheit eines kontinuierlich schmaler werdenden Halses
das doppelte Volumen.
II. Ästhetische
Funktion
Form
Im Vergleich zu traditionellen, „runden“
Wasserflaschen besitzt diese Flasche vier abgerundete Kanten. Es handelt sich
um einen recht außergewöhnlichen und unkonventionellen Aufbau.
Dekorelemente
Der Großteil der Flasche ist von einem
eingekerbten Wellenmuster umzogen, das an die Bewegung von Wasser in der Natur
erinnert. Alternativ kann dieses Muster auch als Anspielung auf die Schichtung
von Vulkangestein gedeutet werden – passend zum auf der Banderole abgebildeten
Vulkan. Letzterer wird gewöhnlich mit Gefahr, Risiko wie auch großer Hitze
assoziiert, was das Wasser wiederum reizvoll und energiereich erscheinen lässt.
Farbgebung
Die Plastikflasche weist eine bläuliche
Färbung auf – sie dient der Aufrechterhaltung der Illusion, Wasser sei
blau und symbolisiert Frische. Die Verwendung der Farbe grün für den
abgebildeten Vulkan, die eigentlich einen Widerspruch darstellt, betont
die Naturverbundenheit des Produkts. Als weitere Farbe wird auf der Banderole
für Übergänge weiß verwendet.
III. Symbolische
Funktion
Durch ihre außergewöhnliche
Beschaffenheit spricht die Flasche insbesondere nonkonformistische Personen an,
die sich von der Menge abheben wollen. Es wird v.a. ein modernes Image, das
hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene als Zielgruppe ins Auge fasst,
angestrebt. Alles in allem symbolisiert die Flasche einen Mehrwert, der am
Durchschnittsmenschen scheinbar vorbeigeht.
Weiterführende Links
Protokoll: A.O. 1KU1 2013