Samstag, 28. Dezember 2013

Produktdesign




Produktdesign wird oft voreilig als Gebrauchskunst verurteilt, die keinen Raum für freien Ausdruck lässt. Die Tatsache, dass es sich nützlich macht, impliziert jedoch nicht, dass es minderwertig ist: So hat Produktdesign ohne Zweifel einen enormen Einfluss im alltäglichen Leben. Alle von Menschen hergestellten Objekte liegen zwangsweise einem mehr oder weniger aufwendigen Gestaltungsprozess zugrunde.

Die Analyse eines Produkts wird in folgenden Kategorien gegliedert:

I.        Praktische Funktion
II.       Ästhetische Funktion
III.      Symbolische Funktion

Dabei kann u.a. auf verwendete Materialien, die Anpassung an den Gebrauch des Produkts in der Praxis, Ergonomie, Umweltaspekte Farbgebung, Form sowie Dekorelemente eingegangen werden.

Beispiel: Mineralwasserflaschen

Exkurs: Geschichte der Wasserflasche

Die Idee, Wasser abgefüllt in Flaschen zu kaufen bzw. anzubieten erscheint bei genauerem Nachdenken zunächst skurril: Da die Qualität von Leitungswasser in Deutschland streng kontrolliert wird, könnte dieses eigentlich völlig bedenkenlos konsumiert werden – bei Bedarf mithilfe eines „Sprudlers“ mit Kohlensäure versetzt. Gibt es also Unterschiede? Weshalb konnte sich die Handhabung in Flaschen überhaupt erst durchsetzen?

Die Vorstellung, Wasser sei nicht gleich Wasser, war erstmals im 19. Jahrhundert zu beobachten: Dabei wurde Wasser aus Mineralquellen aufgrund seiner besonderen Zusammensetzung als Heilmittel für diverse gesundheitliche Beschwerden entdeckt und als eine Art „Medizin“ betrachtet. Man sprach von sog. „Heilwasser.“ Nach und nach entwickelte sich daraus die Idee, Mineralwasser täglich zwecks Prophylaxe zu trinken. Die Erfindung des Autos und die damit zunehmende Mobilität sorgte schließlich für den Durchbruch des Flaschenwassers wie wir es kennen.

Inzwischen existiert eine Vielzahl an verschiedenen Marken, die Trinkwasser anbieten. Diese versuchen sich natürlich voneinander zu unterscheiden – konkret ist dies anhand des Produktes selbst jedoch kaum möglich. Die für den Käufer ausschlaggebende Unterscheidung ist die der Verpackung. Sie soll überzeugen und Bedürfnisse wecken.
Im Folgenden werden zwei verschiedene Arten von Wasserflaschen genauer analysiert und verglichen.

A.    Klassische Form

In den 1960er Jahren wurde erstmals ein universelles Design für eine wiederverwendbare Mineralwasserflasche ausgearbeitet, das deutschlandweit von allen Herstellern übernommen wurde. Auch heute ist dieses Design noch in Originalform beliebt und verbreitet. Eine Unterscheidung der Marken besteht bei Verwendung eines einheitlichen Flaschendesigns lediglich im Aufdruck der Etiketten.


I.        Praktische Funktion

Material
Die Flasche selbst besteht aus weißem Glas, die Etiketten aus Papier und der Schraubverschluss aus Metall. Die Verwendung von Glas erscheint plausibel, da die Flasche somit wiederverwendbar, durchsichtig und gesundheitlich unbedenklich ist und das Etikett leicht entfernbar ist. Die eher konservativ wirkende Verwendung von Papieretiketten, die v.a. für Verpackungen in der Pharmaindustrie gebräuchlich ist, ist auf den ursprünglichen Zweck des Mineralwassers als Heilmittel zurückzuführen.

Handhabung
Die Form der Flasche sowie die verschiedenen Dekorelemente dienen v.a. dem Zweck der Ergonomie, d.h. der Anpassung an den menschlichen Körper in Handhabung und Gebrauch in der Praxis. Zum einen erlaubt die taillierte Form besseres und sichereres Greifen der Flasche, da die Hand optimal eingepasst werden kann, zum anderen dienen die reliefartig hervorstehenden Schriftzüge und Punkte als Abrutschschutz.

II.       Ästhetische Funktion

Form
Die untere Hälfte der Flasche ist zylinderförmig aufgebaut, die obere wird in Richtung des Ausgusses zunehmend schmaler. Auf etwa halber Höhe besitzt die Flasche rundum eine Einbuchtung, die auch als Taille bezeichnet wird. Abstrakt betrachtet kann die Gesamtform als Wassertropfen (oberer Teil), der in einen Becher oder ein Gefäß (unterer Teil) hineintropft, gedeutet werden.

Dekorelemente
Die Taille der Flasche umfasst mehrere reliefierte Elemente. Sowohl zwei in die Höhe gestreckte, schmale Schriftzüge sowie zwei Abbildungen eines Siegels sind darauf zu erkennen. Oberhalb der Taille finden sich regelmäßig verteilte, aber unterschiedlich große hervorstehende Punkte, die das Licht unterschiedlich brechen. Letztere könnten zum einen Kohlensäureperlen als Zeichen des Prickelns des Wassers darstellen – außerdem ist denkbar, dass es sich um stilisiertes Kondenswasser handelt. Ziel ist dabei, ein Durstgefühl beim Käufer zu wecken und Frische zu vermitteln.

Farbgebung
Die vorwiegende Verwendung der Farben blau und weiß auf dem Etikett ist für Mineralwasserflaschen typisch: Sie symbolisieren Frische und Reinheit. Der rote Schraubverschluss erzeugt Kontrast und weckt die Aufmerksamkeit des Betrachters.

B.    Moderner Ansatz

Im Jahr 1995 wurde ein neues Design für Wasserflaschen der Marke Volvic entworfen, das bis heute verwendet wird und sich von anderen geläufigen Designs in mehrerer Hinsicht deutlich absetzt.


I.        Praktische Funktion

Material
Die gesamte Flasche, mitsamt Banderole (= rundum laufendes Etikett) und Schraubverschluss, besteht aus Plastik. Im Gegensatz zu Glasflaschen sind Plastikflaschen leichter und nicht zerbrechlich, also besser zum Transport geeignet. Dies macht sie u.a. in der Schule und am Arbeitsplatz beliebt. Problematisch sind bei der Verwendung von Plastik als Verpackungsmaterial für Trinkwasser jedoch die unklaren gesundheitlichen Folgen sowie die geringe Wiederverwendbarkeit. Darüber hinaus besteht beim Recycling die Gefahr der Umweltverschmutzung.

Handhabung
Die Ergonomie leidet unter der kantigen Gestalt der Flasche, die das Greifen erschwert. Im Gegenzug sorgen die Rillen des Wellenmusters für ein gewisses Maß an Halt, das von einer kleinen Einbuchtung unterhalb des Etiketts, die v.a. beim Eingießen von Vorteil ist, noch unterstützt wird. Das Vorhandensein von Kanten hat jedoch auch Vorteile: Es erlaubt eine deutlich effizientere Lagerung, da verglichen mit „runden“ Flaschen weniger Zwischenraum durch besseres Einpassen entsteht.
Im Gegensatz zur zuvor analysierten Glasflasche, die 0,75 Liter fasst, erreicht die Plastikflasche außerdem mit 1,5 Litern aufgrund der Abwesenheit eines kontinuierlich schmaler werdenden Halses das doppelte Volumen.

II.       Ästhetische Funktion

Form
Im Vergleich zu traditionellen, „runden“ Wasserflaschen besitzt diese Flasche vier abgerundete Kanten. Es handelt sich um einen recht außergewöhnlichen und unkonventionellen Aufbau.

Dekorelemente
Der Großteil der Flasche ist von einem eingekerbten Wellenmuster umzogen, das an die Bewegung von Wasser in der Natur erinnert. Alternativ kann dieses Muster auch als Anspielung auf die Schichtung von Vulkangestein gedeutet werden – passend zum auf der Banderole abgebildeten Vulkan. Letzterer wird gewöhnlich mit Gefahr, Risiko wie auch großer Hitze assoziiert, was das Wasser wiederum reizvoll und energiereich erscheinen lässt.

Farbgebung
Die Plastikflasche weist eine bläuliche Färbung auf – sie dient der Aufrechterhaltung der Illusion, Wasser sei blau und symbolisiert Frische. Die Verwendung der Farbe grün für den abgebildeten Vulkan, die eigentlich einen Widerspruch darstellt, betont die Naturverbundenheit des Produkts. Als weitere Farbe wird auf der Banderole für Übergänge weiß verwendet.

III.      Symbolische Funktion

Durch ihre außergewöhnliche Beschaffenheit spricht die Flasche insbesondere nonkonformistische Personen an, die sich von der Menge abheben wollen. Es wird v.a. ein modernes Image, das hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene als Zielgruppe ins Auge fasst, angestrebt. Alles in allem symbolisiert die Flasche einen Mehrwert, der am Durchschnittsmenschen scheinbar vorbeigeht.

Weiterführende Links


Protokoll: A.O. 1KU1 2013

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