Samstag, 28. Dezember 2013

Steckbrett von Samuel van Hoogstraten




I. Betrachtung

http://www.bildergipfel.de/images/products/wt/originals_ART8233.jpg
           
 Sehr detailreiche Ausgestalltung der einzelnen Gegenstände.
                        => Arbeit wirkt beinah real.
            S. van Hoogstraten feiert sein imitatives können, da Werk auf ersten Blick kaum von der Realität unterscheidbar.
                        => sog. Täuschen des Betrachters (frz.: trompe l'oeil)

II. Interpretation

            Die Gegenstände sind augenscheinlich in zwei Bereiche teilbar:
                        1. Hygiene (z.B.: Rasierpinsel, Seife, etc.)
                        2. Lehre / Schreiben u. Lesen (z.B.: Brief, Schreibfeder)
                        Lediglich die Kette mit den Amuletten ist darunter nicht zuzuordnen.
            Gegenstände der Hygiene standen z.Z. von S. van Hoogstraten auch als Symbol für geistige Reinheit. Gegenstände der Lehre / des Lesens u. Schreibens können als Symbole der Bildung/der Belesenheit stehen.
            Die Kette wurde S. van Hoogstratens als Anerkennung für seine literarischen Werke verliehen.
            Jeder einzelne Gegenstand kann eine eigene, zeitgenössische Bedeutung haben, die heute nicht mehr von jedem erkannt werden kann.
                      => Selbstporträt S. van Hoogstratens durch Symbolisierung seiner (wahrscheinlich nach eigener Einschätzung) besten o. markantesten Charaktereigenschaften.
                        => versteckte Selbstdarstellung, um bescheiden zu wirken

III. Vergleich

            Im Werk von J. Marrell "Vanitas-Stillleben"(1637) ebenfalls versteckte Selbstdarstellung (Spiegelung des Künstlers in der Glasvase).
            A. Dürer (1471 bis 1528) dagegen kann als Bespiel der offenen, selbstbewussten Selbstdarstellung genommen werden, da er sich in seinem weltbekannten Selbstporträt mit Pelzmantel in aufrechter und royaler Haltung verewigte.

IV. Erklärung Hybris

            Die Selbstdarstellung galt als eine Form der Hybris (griechisch für Überheblichkeit) und stellt ebenfalls ein Vanitasmotiv dar.
In den Göttersagen Griechenlands drehen sich viele Geschichten um die Bestrafung der Überheblichkeit. Beispiel: eine menschliche Frau namens Arachnae, die als beste (menschliche) Weberin galt und             deshalb vor Athene trat und überheblich prahlte, sie könnte besser als die Göttin weben wurde von der erzürnten Athene in ein Spinnenwesen verwandelt, und verdammte sie dazu auf ewig zu weben. Somit wurde Arachnae ihre Überheblichkeit zum Verhängnis.

V. Vanitas Motive (Quelle://http:www.kunstdirekt.net/symbole/start.htm)

Anmerkung von Frau Koenig: unser Protokollant hat sich dankenswerterweise die Mühe gemacht und eine sehr detaillierte Aufzählung und Erläuterung von Vanitassymbolen angefügt, die man sich unbedingt durchlesen sollte aber nicht auswendig lernen muss. ;)

Blumen:
            Besonders Schnittblumen tragen in sich bei aller kostbaren Schönheit das Los des Verblühens. In den Bildern wird dies sehr oft durch noch in voller Blüte stehenden Blumen und bereits verwelkenden Pflanzenteilen zum Ausdruck gebracht.
 
Kerzen:
            Im Christentum, vor allem in der katholischen Liturgie, spielen Kerzen während des  Gottesdienstes, bei Begräbnissen und bei Prozessionen als Symbole des Lichtes und des Glaubens eine große Rolle. Darüber hinaus sind sie das Symbol für die individuelle Seele, für das Verhältnis von Geist und Materie (die das Wachs verzehrende Flamme). Oft wird dem personifiziertem Tod in Gleichnissen die Macht  über brennende Kerzen, von denen jede ein Menschenleben symbolisiert, zugesprochen. Eine erlöschende Kerze steht unmittelbar für das Sterben, eine erloschene oder umgekippte für den Tod. Die Seele, in diesem Zusammenhang also die Flamme, das Licht, hat den Körper verlassen und die vergängliche Hülle, die Materie zurückgelassen. Stellvertretend tauchen gelegentlich auch Öllampen oder Fackeln als gleichbedeutende Gegenstände auf. Das Motiv einer eben erloschenen  Lichtquelle, deren dünne Rauchfahne vom Luftzug verweht wird, findet sich als Gleichnis auch bei dem zeitgenössischen Dichter Andreas Gryphius:
 
                        Was sind wir Menschen doch! Ein Wohnhaus grimmer Schmerzen,
                        Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
                        Ein Schauplatz aller Angst und Widerwärtigkeit,
                        Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrannte Kerzen.
                        Das Leben fleucht darvon wie ein Geschwätz und Scherzen...
                        So werden wir verjagt gleich wie ein Rauch vor Winden.
 
Luxusgüter:
            Der neue Konsumstandard in den barocken Niederlanden führt dazu, daß die Kirche in den erwerbswirtschaftlich aufgehäuften Reichtümern nur eitlen Tand erkennt, der die Menschen vom rechten Weg abbringt. In Bildern treten sie oft in ambivalenter (zweifacher) Weise auf: zum einen wecken sie mit ihren verführerischen Reizen Begehrlichkeit, die mit den Mitteln einer verfeinerten ästhetischen Gestaltung noch gesteigert wird, zum anderen wird dieses Besitzwollen durch die Beigabe eines an die Vergänglichkeit mahnenden Totenkopfes verleidet (vgl. auch: Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus). Als Gegenstände finden sich oft Münzen, Schmuck, Kunsthandwerk, prachtvolle Stoffe usw. in den Bildern.
 
Machtinsignien:
            Neben den Insignien weltlicher Macht (Kronen, Zepter, Ritterharnisch,...) gehörten auch die Tiara (dreifache Krone des Papstes) und die Mitra (Bischofsmütze) sowie der Globus als Symbol weltweiter Machtexpansion und Eroberungslust zu den Elementen der Eitelkeit. In diesen Symbolen drückt sich der Glauben an die Kurzlebigkeit menschlicher Machtgefüge im Gegensatz zur Ewigkeit des Himmlischen Reiches aus. "Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehen" (Andreas Gryphius in seinem Gedicht: "Alles ist eitel").
 
                        Calderon de la Barca: "Das Leben ein Traum"
           
                        Denn in den Räumen
                        Dieser Wunderwelt ist eben
                        Nur ein Traum das ganze Leben;
                        Und der Mensch (das seh ich nun)
                        Träumt sein ganzes Sein und Tun,
                        Bis zuletzt die Träum' entschweben.
                        König sei er, träumt der König;
                        Und, in diesen Wahn versenkt,
                        Herrscht, gebietet er und lenkt.
                        Alles ist ihm untertänig,
                        Doch es bleibt davon ihm wenig,
                        Denn sein Glück verkehrt der Tod
                        Schnell in Staub (o bittre Not!);
                        Wen kann Herrschaft lüstern machen,
                        Der da weiß, daß ihm Erwachen
                        In des Todes Traume droht?...

Mäuse:
            Ihre starke Vermehrung und große Gefräßigkeit und der damit verursachte Schaden haben die Mäuse zu den menschenfeindlichen, oft auf Anstiften des Teufels agierenden Mächten in Bezug gesetzt. In Vanitas-Stilleben galt sie oft als Inbegriff  der Erbsünde der Concupiscentia.
 
Musikinstrumente u. Noten:
            So wie für die damaligen Menschen der Klang der Musik nur im Augenblick erlebbar  ist und, kaum gehört, wieder verklingt, so wird das menschliche Leben vor dem  Hintergrund der Ewigkeit nur als flüchtiger Augenblick verstanden. Die Anspielungen auf diesen Gedanken können sehr vielfältig sein; so kann zum        Beispiel eine gerissene Seite unmittelbar auf den Tod anspielen (vgl. auch ugs.: "Das Ende vom Lied").
            Als eine der Quellen für diese Metaphern dürfte die Bibel mit den Versen des Predigers Salomo (2.Kapitel, Vers 8 - 11) in Betracht kommen:
 
                        "Ich sammelte mir auch Silber und Gold und von den Königen und Ländern einen Schatz; ich schaffte mir Sänger und Sängerinnen und die Wonne der Menschen, allerlei Saitenspiel; (...) Da ich aber ansah alle meine Werke, die meine Hand getan hatte, und die Mühe, die ich gehabt hatte, siehe, da war es alles eitel und Haschen nach Wind und kein Gewinn unter der Sonne."

Schädel:
            Symbol der Vergänglichkeit des Menschen. Er findet sich oft auf Grabsteinen und Grabbildern oder als Meditationsobjekt in der Hand heiliger Personen: "Alles zerfällt mit dem Tode, der Tod ist die letzte Grenze der Dinge.". In Vanitas - Stilleben taucht er gelegentlich mit einem abgetrennten, zur Seite geschobenen Unterkiefer auf und steht damit sinnfällig als Zeichen für die Auflösung der Person. Dahinter steht die christliche Mahnung, daß im Hinblick auf den Tod als letzten Lebensabschnitt nur Rettung verhießen werden kann, wenn der Mensch in steter Reue und Selbstzerknirschung Buße tut.
 
Seifenblasen:
            Die Erkenntnis "Homo bulla" - der Mensch ist wie eine Seifenblase - erscheint in vielfach abgewandelter Form in Vanitas - Stilleben. Sehr oft wird dieses Motiv in   Verbindung mit Kindern, scheinbar ohne Hintersinn, in Genrebildern (Schilderungen des täglichen Lebens) eingesetzt. In Stilleben tauchen in gleicher symbolischer Bedeutung oft auch Glas- und Kristallkugeln auf.
            Auf einem Kupferstich des barocken Künstlers Hendrick Goltzius findet sich folgender Vers von F.Estius:

               "Die frische Blume, leuchtend im Frühling und duftend, verwelkt plötzlich und die Schönheit vergeht schnell. So vergeht auch das Leben der eben Geborenen und entflieht gleich einer Seifenblase aus leerem Dunst."
 
Spiegel:
            Die Personifikation der Vanitas als Eitelkeit wurde meistens an Schönheit, Jugendlichkeit, Begehrlichkeit und Selbstverliebtheit der Frau gekoppelt. Als Bildmotiv setzen sich hier vor allem sogenannte Toiletteszenen durch, die eine dem zeitgemäßen Schönheitsideal entsprechende Frau vor dem Spiegel zeigten. Die narzistische Selbstverliebtheit wurde zum Inbegriff des törichten Lebens, das sich nur   im Moment genießt. In den Vanitas - Stilleben findet sich dieses Motiv in verkürzter bzw. den Forderungen des Genres angepaßter Weise oft in der Anwesenheit von Spiegeln oder spiegelnden Flächen wieder, bisweilen auch in der Form verkleinerter Kopien antiker Plastiken wie zum Beispiel der Venus, der antiken Göttin der Liebe. Gelegentlich wird auch Verliebtheit in allen erdenklichen Symbolisierungen als Hinweis auf menschlichen Wankelmut und damit Vergänglichkeit  verschlüsselt.
 
Spielutensilien:
            Besonders Würfel, oft auch achtlos dahingeworfene Spielkarten verweisen auf das Vertrauen oder Hoffen der Menschen auf irdisches und materielles Glück. Der bürgerliche Reichtum dieser Zeit entfachte eine Spielleidenschaft, die nicht nur die zu Reichtum gekommenen Bürger der Stadt, sondern auch die finanziell  benachteiligten  Schichten erfaßte. Die Spielleidenschaft steht im Zusammenhang des Vanitas-Stillebens meist für ein fehlgeleitetes Lebensziel, das sich durch dunkle Mächte weltliche Güter erwerben will. In den Darstellungen der Kreuzigung Christi findet sich dieser Gedanke bei den unter dem Kreuz sich mit Glücksspiel die Zeit  vertreibenden Soldaten seine Entsprechung.
 
Uhren:
            Besonders die Sanduhr wurde als Gleichnis für die Dauer und Endlichkeit des menschlichen Lebens verstanden. Mit dem Tod ist in sprichwörtlichem Sinne die Zeit "abgelaufen". Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch bei Figurenbildern der Stand der Uhr, also die Menge Sand, der noch durch die  kleine Öffnung rieseln kann; sie erlaubt direkte Rückschlüsse auf die verbleibende Lebenszeit.

Protokoll: M. W. 1KU1 2013

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